Podcast-Interview mit Peter Gregersen

von | Jul 16, 2024 | Podcast | 1 Kommentar

In der Episode 12 des Podcast “STARK im Ehrenamt” wird ein Ehrenamt vorgestellt, mit dem man sich eigentlich keinen Berührungspunkt wünscht, aber es ist dennoch sehr wertvoll. Im spannenden Interview berichtet Peter Gregersen (aus Weseby, verheiratet, 2 Kinder, pensioniert), wann er als berufener Schiedsmann im Amt Hürup zum Einsatz kommt und was ihn zu diesem Engagement motiviert.

Das komplette Interview gibt es nachfolgend zum Lesen. Viel Spaß beim Anhören oder Lesen!

Was ist dein Ehrenamt?

Ich wundere mich, wie wenig das Schiedsamt bekannt ist, obwohl wir auf der Amtsseite stehen. Jeder kann uns anfordern. Wenn ich sage uns, dann bin ich es eben nicht ganz allein, sondern es ist auch Anja Engelbrechtsen-Wienk, meine Stellvertreterin, die dieses Amt ebenfalls ausfüllt. Jedes Amt hat Schiedsleute, sofern Ehrenamtliche gefunden werden, und für das Amt Hürup bin ich der Schiedsmann.

Wie bei jedem Ehrenamt muss man gucken, ob es für einen passt. Hier braucht man Geduld und eine gewisse Zugewandtheit zu den Menschen. Das Schöne ist, es ist in der Region und wenn man da was bewegen kann, ist es auch unmittelbar in der Gemeinde wirksam. Das ist unter anderem ein Grund, dieses Amt anzunehmen.

Wie bist du zu „deiner“ Aufgabe gekommen?

Das ist schon kurios, weil das Amt suchte und ich habe auch irgendwie was gesucht, um mich in der Gemeinde zu engagieren, weil als Bürger bin ich ja vom Engagement auch anderer betroffen. Wassergenossenschaft, der Sportverein, da könnte man ganz viele aufzählen, wo Menschen sind, die sich engagieren und wo man davon profitiert. Inzwischen mache ich es seit über 20 Jahren.

Was ist ein Schiedsamt? Was passiert da und gibt es Beispiele?

Ich hätte große Lust sehr kuriose Geschichten zu erzählen, doch das gehört auch zum Amt, dass man darüber Verschwiegenheit wahrt. Es gibt unterschiedliche Wege, wie es zu einer Verhandlung kommen kann. Das Gericht kann Verhandlungen, die einen Streitwert von unter 1.250 € haben, ablehnen, wenn nicht vorher zumindest ein Schiedsverfahren versucht wurde. Jeder Bürger kann ein Schiedsverfahren beantragen, wenn er in seinen Streitigkeiten nicht mit den Kontrahenten weiterkommt. Es wird vertrauensvoll mit den Ämtern zusammengearbeitet, die manchmal einen Tipp geben, sich an das Schiedsamt zu wenden. Ganz viele Streitigkeiten, gerade im Nachbarschaftsrecht, sind so, wo man denkt “Meine Güte, warum könnt ihr euch nicht selber einigen”. Aber Empfindlichkeiten treffen aufeinander und die gilt es dann erst einmal auszuschalten. Das ist das tolle an dem Amt, in dem Moment, wo man zusammensitzt (in der Regel im Amt), sind alle anderen Personen auch viel aufmerksamer miteinander. Das ist die große Chance. 

Für den einzelnen Bürger kann ich nur sagen: Nutzt es, weil es unglaublich günstig ist. Es kostet nur 50 € dieses Verfahren. Wenn man mal ausrechnet, was ein Anwalt kostet, dann muss man zu Gericht und das dauert so lange. Das Schiedsverfahren hat für bestimmte Fälle unglaubliche Schlagkraft. Wir können allerdings nicht alles machen. Wenn es z. B. um Grundbucheintragungen oder Vermögenssachen geht, müssen einige Dinge ausgeklammert werden. 

Das häufigste sind Nachbarschaftsstreitigkeiten: Die Hecke wird nicht zur rechten Zeit geschnitten, sie ist zu hoch, es gibt Überwuchs, es gibt Lärmbelästigung. Wir haben auch schon mal sowas wie Stalking und Bedrohung gehabt. Sehr komplizierte Fälle, die sich aber lösen ließen. Insgesamt ist es eine 50/50 Chance. Diese hohe Quote motiviert uns. Wir können Einigung nur finden, wenn die Kontrahenten es wollen. Da gibt es häufig ein Missverständnis. Wir werden gerufen und die Antragsteller meinen, wenn sie alles ganz genau erklären, dass wir am Ende sagen “Du hast Recht.”. Aber dem ist nicht so. Wir können nur helfen, eine Lösung zu finden. Diese Einigung im Schiedsverfahren, die ist aber knallhart. Wenn es jetzt bestimmte Höhen im Nachbarschaftsrecht über den Zaun gibt, und die Kontrahenten einigen sich über eine andere Höhe, dann gilt die. Aber hält sich einer nicht dran, kann sie gleich vollstreckt werden. Das unterschätzen wiederum viele. Das Verfahren ist strikt, die Einigung ist sehr offen. Das finde ich unglaublich toll an diesem Verfahren. Das passt in die Nachbarschaft.

Gibt es eine Qualifizierung oder Ausbildung, um Schiedsmann zu werden?

Eigentlich musste ich gar nichts machen. Man war ja froh, dass man überhaupt jemanden hatte. Aber es findet eine systematische Schulung statt – auf freiwilliger Basis, weil ja nicht jeder die Zeit hat. Aber ich hab die Möglichkeit, an diesen Schulungen teilzunehmen. Es gibt einen Verband der Schiedsleute (Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen), der ist sehr aktiv. Es gibt einen Stammtisch, 2 x im Jahr, und da tauscht man sich eben auch aus. Dann gibt es auch eine örtliche Schulung. Wir werden praktisch auch beaufsichtigt vom Gericht und haben dort eine Richterin als Ansprechpartnerin, wo wir uns zur Not auch Fachwissen holen können. Ich will nicht sagen, dass Fachwissen keine Rolle spielt. Für Verhandlungen ist das ganz gut, aber wir argumentieren nicht über die Paragraphen, sondern wir gucken uns das konkrete Problem an. Da finde ich, ist der Gesetzestext hilfreich für den Richter, aber für die Problemlösung vor Ort, wäre es schön, wenn beide Seiten einen Interessenausgleich finden. Was für den einen Schatten ist, ist für den anderen Sichtschutz. Dass man sich auch in die andere Seite einmal hineindenkt und nicht immer beharrt “Ich hab Recht. Ich habe im Internet gelesen…”, ist wichtig.

Wie läuft ein Schiedsverfahren ab?

Ich mache immer Ortsbesuche bei beiden Seiten. Dann schauen wir uns das an und da kommt es manchmal zur Besonderheit, dass es gar nicht zur Schiedsverhandlung kommt. Manchmal einigen sich die Kontrahenten sogar da schon. Oder man findet Lösungen, wo beide Seiten auf einmal baff sind. Das sind natürlich die ganz schönen Momente, weil man da wirklich das Gefühl hat: “Boah, das hat sich gelohnt.” Es gibt aber auch Sachen, die länger dauern, wo wir zwar eine Schiedsverhandlung machen, aber anbieten “Lasst uns nach einem Jahr noch einmal treffen.”. Eigentlich ist das nicht so vorgesehen und es ist ein absoluter Ausnahmefall. Aber wenn Leute sich drei Jahre streiten, also bis hin zu nicht mehr grüßen oder Mülltonnen vor die Tür stellen, also sich wirklich das Leben schwer machen, können sie nicht auf einmal umschalten. Die brauchen ihre Zeit.

Übrigens auch für die Bürgermeister oder für die Amtsverwaltung ist es hilfreich, weil sie häufig auch mit Streitigkeiten konfrontiert sind, weil Beschwerden dort auflaufen, die sie dann auch abgeben können an uns Schiedsleute. Das läuft ganz toll im Amt in Hürup.

Wie viele Fälle sind es pro Jahr?

Ja, wir müssen genau Statistik führen. Es sind ca. 5-10 Fälle pro Jahr, die zur Verhandlung kommen, und mindestens so viele nochmal, wo angefragt wird, Gespräche stattfinden, wo manchmal aber auch gesagt werden muss “Das ist eigentlich kein Streit.”. Man beruhigt die Gemüter dann im Gespräch. Einige rufen auch an, einfach für einen Rat. “Was können Sie mir empfehlen, wie soll ich mit meinem Nachbarn umgehen?” Das ist etwas, finde ich, da könnte man uns noch viel mehr nutzen. Ich glaube nicht, dass wir so eine besondere Gemeinde sind, wo kaum Konflikte sind. Ich wünsche niemanden, dass er mich auf diesem Wege kennenlernt, glaube aber, dass manche uns einfach zu spät rufen. Erst wenn der Konflikt schon so groß ist und so viele Nerven gekostet hat, was nicht sein müsste.

Gibt es einen “Schlüssel”, wie viele Schiedsleute innerhalb eines Amtes da sein sollten?

Nein, es gibt keine Mindestgröße im Amt. In der Stadt gibt es verschiedene Schiedsbezirke und dadurch natürlich mehr. Bei uns mit 2 Leuten ist es noch zu bewältigen. Es ist eigentlich so vorgesehen, dass die Schiedsverhandlungen immer nur von einem gemacht werden. Wir machen das ganz gerne, soweit es zeitlich geht, aber zu zweit. Der eine schreibt das Protokoll, während der andere sich voll auf die Gesprächsführung konzentrieren kann. Irgendwann möchte ich mich auch zurückziehen. Wir haben das Amt damals von einem über 80-Jährigen übernommen. Da hab ich nur gesagt: “So alt möchte ich in diesem Amt nicht werden!” Es gibt ja auch noch andere Tätigkeiten im Leben. Anja, als meine Stellvertretung, macht sich fit, mein Amt zu übernehmen. Dann braucht sie natürlich noch jemanden. Wer es sich aufgrund dieses Interviews vorstellen kann, darf sich gerne melden.

Was motiviert dich zu so starkem Engagement?
Was ziehst du daraus für dich?

Das hört sich jetzt ein bisschen hochtrabend an. Aber von meinem Lebenslauf her, ich hab verweigert, ich hab Religion studiert, finde ich, dass es ein Stück Friedensarbeit ist – vor Ort. Ich selbst mag auch nicht streiten. Das liegt mir nicht, in Konflikten sehr stark zu sein. Die Situation finde ich schon immer sehr bedrückend, wenn es zu so einem Streit kommt, in dem ich selbst involviert bin. Aber hier, wo ich distanziert drauf gucke, da fällt es mir eigentlich sehr leicht, Geduld zu haben und beide Seiten gleich ernst zu nehmen. Jeder hat seine eigene Wahrheit. Das ein Stück weit aufzubrechen, dass man den Nächsten sieht. Das ist ja im Grunde genommen auch eine theologische Formulierung. Das ist so verortet in der Weltlichkeit, das motiviert mich.

Kannst du abschätzen, wie viele Stunden du im Monat ehrenamtlich aktiv bist?

Ne, das ist wirklich kurios. Manchmal ist es sehr ruhig, man wartet, und dann auf einmal sind 4 Fälle zur gleichen Zeit. Ich bin aber noch nicht dahintergekommen, wann diese Wellen sind. Aber es sind in der Regel immer kleine Wellen. Es kommt einiges zusammen. In der Regel ist man eine Stunde, wenn nicht sogar länger, bei einem der Kontrahenten. Die Fahrt dorthin, die Terminabsprachen, häufig gibt es noch mal Veränderungen. Dann die Verhandlung von ca. einer Stunde. Da kann man sagen, dass pro Fall schnell 5 Stunden weg sind. Dann noch die anderen Sachen drum herum mit einrechnen. Das ist nicht so möglich.

Ich habe mal zu den Bürgermeistern gesagt, dass sie echt harte Arbeit für uns machen und  dafür auch schon mal nicht so schöne Kommentare ernten. Wir Schiedsleute hingegen haben eigentlich ein gutes Image, weil die, die sich streiten und nicht mit uns zufrieden sind, posaunen das nicht groß raus. Ich glaube, dass es da so ein bisschen dran liegt. Ich will damit sagen, wir können nicht allen gerecht werden. Einige sind enttäuscht, das lässt sich nicht vermeiden. Es ist ein tolles Amt, denn viele begreifen, wie sinnvoll es ist, ohne Streit zu leben. Aber es gibt auch einzelne Kontrahenten, die richtig schwierig sind. Da bin ich schon froh, wenn wir im Sitzungssaal mit großem Abstand sitzen. Das gibt es auch, aber das ist ganz selten.

Wird man zum Schiedsmann gewählt? Wenn ja, wie lange?

Man wird berufen vom Amt für 5 Jahre, glaube ich. Falls es mir gesundheitlich mal nicht so gut gehen sollte, habe ich ja eine Stellvertretung bzw. es findet sich dann auch eine Lösung. Ja, man wird berufen vom Amt und auch vereidigt. Das wiederum beim Gericht. Das ist auch nötig, unter anderem wegen der Verschwiegenheit. Aber auch bei Verhandlungen, wenn wir das Ergebnis in ein Protokoll fassen, dann siegeln wir das. Das ist auch etwas Juristisches. Ein Siegel führen ist eine ganz hohe Verantwortung, damit wird es amtlich. Da wird auch deutlich, dass wir diese Schulungen brauchen und dass es diese Korrektheit geben muss, damit es dann auch wirksam ist.

Das ist dann auch der Unterschied zu einem Mediator, oder?

Ja! Der Mediator hat aber auch eine andere Technik, um zu einem Ergebnis zu kommen und ist auch langfristiger im Einsatz. Unser Ziel ist es, in der Verhandlung zu einem Ergebnis zu kommen. Wenn man zu keinem Ergebnis kommt, dass sind ja die anderen 50 %, dann müssen die Parteien sehen, wie sie weiter vorgehen. Aber dann hat derjenige zumindest den Nachweis, dass er es versucht hat mit seinen Nachbarn. Deswegen brauche ich die Hilfe des Gerichtes durch das Siegel. Grundsätzlich gilt aber: Wir sprechen kein Recht, sondern wir vermitteln nur zur Einigung.

Gibt es weitere ehrenamtliche Tätigkeiten, denen du nachgehst?

Ja! In Flensburg gibt es die interkulturellen Wochen (vom 4.09.-06.11.2024, mehr Infos gibt es unter https://www.flensburg.de/interkulturellewochen). Dort mache ich die “Reise zu den Religionen” (Di. 24.09.24, Anmeldung erforderlich). Das startet um 14 Uhr in der jüdischen Gemeinde, halbe Stunde. Dann gehen wir eine halbe Stunde durch den Christiansenpark zur Marienkirche, dann weiter in die Norderstraße in die Moschee, dann zu der Bahá‘í-Gemeinde. Außerdem lese ich im Rahmen der interkulturellen Woche Märchen aus den verschiedenen Religionen, die alle ein Ethos beinhalten, das in allen Religionen gilt, wie „Du sollst nicht lügen.” oder “Du sollst nicht stehlen.” Jeder kann sich anmelden, es kostet nichts. Das bringt mir Spaß. Das ist auch das Schöne, wenn man pensioniert ist, kann man an den alten Themen, die einem besonders am Herzen lagen, weiterarbeiten und es dann auch noch ehrenamtlich strahlen kann.

Was ist dein Wunsch oder Rat für andere Menschen im Ehrenamt? Wie kann sich das Ehrenamt weiterentwickeln? Wie kann man Leute motivieren mitzumachen?

Fürs Schiedsamt kann ich sagen, wer sich innerlich so ein bisschen berufen fühlt, kann ja auch mal schnuppern. Mal bei so einer Schulung oder einem Gesprächskreis teilnehmen, um zu gucken, ob das was für ihn wäre.  Letztendlich seid ihr (die Vereinsmeierei) ja auch eine gute Anlaufstelle. Man muss ja auch erst einmal wissen, was gibt es für Ehrenämter. Zum Beispiel jemand, der im Lichthof im Garten das Beet macht. Das ist auch ein wichtiges Ehrenamt. Es gibt große und kleine. Oder wer das in der Wassergenossenschaft im Vorstand macht oder im Aufsichtsrat der Nahwärme-Genossenschaft. Die ganze Nahwärme in Hürup ist überhaupt aus dem Ehrenamt entstanden. Da haben Leute das einfach gemacht, weil sie das wollen. Zu gucken “Was passt für mich?”, das glaube ich, ist ganz wichtig. Um auch die Frustrationen, die man im Ehrenamt vielleicht auch mal hat, aushalten zu können.

TIPP der Vereinsmeierei:

Stöbert gerne im Engagementpool. Dort gibt es zahlreiche Angebote von Vereinen/Organisationen, wo ehrenamtliche Engagierte gesucht werden. Vielleicht gibt es da etwas, wo genau deine Fähigkeiten gefragt sind. Oder aber du möchtest vielleicht mal was ganz Neues kennenlernen, dich weiterentwickeln. Das ist das tolle im Ehrenamt!

Wenn ich das noch nachsetzen darf, weil ich das auch interessant fand: Meine Frau, zum Beispiel, macht mit in der Kommode in Hürup. Wenn Anke Karsten (Interview in der Podcast-Episode Nr. 6) da nicht so einen Drive gehabt hätte, das zu übernehmen. Da kann man noch mal sehen, was ein Einzelner oder eine Einzelne bewegen kann, wenn es denn viele Helfer gibt. Das ReparaturCafé ist auch so ein tolles Beispiel.

Herzlichen Dank an Peter Gregersen für das tolle, interessante Interview!

Das Interview wurde geführt von Anne Wollesen im Juli 2024.

Schiedsamt benötigt?

Auf der Seite vom Amt Hürup findest du die Kontaktdaten.

Verantwortlicher Kontakt:

Website:

Kontaktmöglichkeit:

E-Mail:

1 Kommentar

  1. Das ist ein sehr interessantes Interview. Die Aufgabe eines/einer Schiedsmannes/-frau erscheint wirklich spannend, herausfordernd und (im Erfolgsfall) auch erfüllend, denke ich – eine sogenannte „win-win-Situation“. (-:
    Respekt Peter, toll, dass du das mit so viel Herzblut und Ausdauer machst.

    Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert